April 2015 www.initiative.cc

Vom Irrsinn der als Normalität durchgeht
Wie weit sind wir eigentlich gekommen, dass wir mühsam das benennen und zertifizieren müssen, was eigentlich das Selbstverständlichste der Welt sein sollte?

Kennzeichnung von Produkten


Aus der Zeitschrift Schrot&Korn 01/2015. Von Fred Grimm; Autor von "Shopping hilft die Welt verbessern".

Wenn ich über Mode schreibe, die möglichst umweltschonend sowie unter fairen Bedingungen produziert wird, frage ich mich, wie ich das alles nennen soll: Öko-Mode? Grüne Mode? BioMode? Öko-faire, ökoziale Mode? Ecofashion? Irgendwas mit green? Oder gar: ethisch korrekt?

„Ethisch korrekt? Ich kann’s nicht mehr hören“, erklärte mir dazu neulich eine junge Modedesignerin. Denn eigentlich sollte ihrer Meinung nach all das, für das die grüne, Öko- oder wie-auch-immer-man-sie-nennen-mag-Mode steht, Standard für die ganze Branche sein. Dass man mit giftfreien Materialien arbeitet. Dass man die NäherInnen und VerkäuferInnen fair bezahlt und sie nicht endlos schuften lässt. Dass man die Kleidung so produziert, dass sie später einmal problemlos entsorgt oder wiederverwertet werden kann.

„Warum“, fragte mich die Modefrau, „sucht man eigentlich nie nach einer Vokabel für diejenigen, die sich nicht an diese Standards halten?“ Ich muss in diesen Tagen oft an unser Gespräch denken, da wieder mal viel von „Bio-Falle“ und „Öko-Lüge“ bei Lebensmitteln die Rede ist. Im Prinzip ähneln sich diese durchaus nachdenkenswerten Geschichten. Es geht um die Frage, wie die hehren Öko-Grundsätze gegen die brutalen Marktmechanismen der Lebensmittelindus-trie bestehen können. Müssen auch die Bio-Bauern immer größere Flächen bewirtschaften, immer mehr Tiere auf immer engerem Raum halten, immer mehr Zusatzstoffe erlauben, um sich gegen die immer billigere Konkurrenz der Konventionellen zu behaupten? Und wäre Bio dann eigentlich noch seinen – höheren – Preis wert?

Bio gilt immer noch als das Besondere

Es sind Fragen, die tief an die Identität der Bio-Bewegung rühren. Und es sind Fragen, die auch deutlich machen, dass „Bio“ immer noch als das Besondere gilt, das seine Siegel, seinen Preis und seine Botschaft ständig rechtfertigen muss. Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr wird mir klar, wie grotesk das alles ist.

Wie weit sind wir eigentlich gekommen, dass wir mühsam das benennen und zertifizieren müssen, was eigentlich das Selbstverständlichste der Welt sein sollte? Dass eben keine Tiere gequält oder verstümmelt, mit Antibiotika vollgepumpt und zusammengedrängelt werden, damit wir Wurst oder Schnitzel essen können. Dass eben keine Gifte auf die Felder gesprüht, keine Chemiecocktails, Zuckerbomben oder Nahrungs-imitate als „gesund“ und „nahrhaft“ gepriesen oder die Inhaltsstoffe gleich ganz verheimlicht werden dürfen, wie im „normalen“ Teil der Lebensmittelindustrie üblich.

Dass ethische und ökologische Selbstverständlichkeiten die kritisch hinterfragte Ausnahme bilden, während der Irrsinn als Normalität durchgeht, ist doch die Krankheit unserer Zeit.

Quelle: http://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/vom-irrsinn-der-als-normalitaet-durchgeht.html

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