November 2009 www.initiative.cc

Pflanzenkläranlagen anstatt Kanal !
Dezentral statt teuer !

Früher war ein Kanalanschluss Symbol für Fortschritt und Umweltschutz. Heute ist dieser vor allem teuer und meist schlicht unnötig. Dezentrale Kläranlagen bieten vielerlei Vorteile, dennoch sind sie bei "Manchen" nicht beliebt.

Teuer und meist unnötig

von Leo Frühschütz.

WERNER SCHARDT tippt sich an die Stirn. 8.500 Euro muss er bezahlen, weil die oberfränkische Stadt Weismain für ihn einen Kanal gebaut hat. Zusätzliche 5.000 Euro wird der Hausanschluss kosten. Doch der parteilose Stadt- und Kreisrat braucht keinen Kanal.

Er reinigt die Abwässer aus seinem Haus und den dazugehörenden Ferienwohnungen seit 25 Jahren selbst mit Hilfe einer so genannten Vier-Kammer-Grube, seit dreieinhalb Jahren kombiniert mit einer Pflanzenkläranlage zur biologischen Reinigung. "Was da hinten rauskommt, kann problemlos wiederverwendet werden", erklärt Werner Schardt stolz. Doch nun soll er trotz seiner funktionierenden Abwasserentsorgung sein Haus an die städtische Kläranlage anschließen.

"Diese Anlage ist zu groß geplant worden und nicht ausgelastet", sagt Schardt. Deshalb wolle die Kommune jeden Haushalt ans Kanalnetz anschließen. Das kommt teuer, denn die Hälfte der 5.000 Einwohner von Weismain lebt verteilt auf 26 Weiler. "Ein Ortsteil ist 13 Kilometer von der Kläranlage entfernt. Über Berg und Tal haben die den Kanal dorthin gebaut. Einen Großteil der Kosten müssen die Anwohner tragen!' Seit Jahren kämpft Werner Schardt mit Ausdauer gegen diesen, in seinen Augen ökologisch und wirtschaftlich unsinnigen, Anschlusszwang. Er wurde deshalb 1996 sogar in den Stadtrat gewählt.

Durch sein Engagement lernte er, dass viele ländliche Gemeinden Bayerns ähnlich mit betroffenen Bürgern umspringen. "Es ist überall das Gleiche: dezentrale Lösungen werden schlecht geredet und absichtlich teuer gerechnet; Millionen an Euro in unsinnige Kanäle verbuddelt."

Um Betroffene zusammenzuführen hat Umweltschützer Schardt zusammen mit anderen Engagierten den Verband dezentrale Abwasserbehandlung Bayern e. V. gegründet. Über 200 Mitglieder vereint der Verband seit letztem Sommer - Einzelpersonen, aber auch viele Initiativen.

Viel Geld vergraben

Denn Weismain ist überall. In vielen ländlichen Gebieten wehren sich Bürger gegen den Zwangsanschluss an die öffentliche Kanalisation. Dabei bezweifelt niemand, dass die Kläranlagen in zentralen Orten und Städten sinnvoll sind. 93 Prozent aller Haushalte in Deutschland sind an öffentliche Kläranlagen angeschlossen Für den Rest ist ein Anschluss in den seltensten Fällen sinnvoll", sagt Detlef Glücklich, Professor für ökologisches Bauen an der Universität Weimar. Denn die kilometerlangen Kanäle machen rund 80 bis 90 Prozent der gesamten Kosten für die Abwasserentsorgung aus. Den Großteil der Baukosten und der späteren Instandhaltung müssen, je nach örtlicher Satzung, die Anwohner zahlen."Viele Gemeinden sind jetzt schon kaum noch in der Lage, ihre Infrastruktur zu erhalten", argumentiert Detlef Glücklich. Da mache es keinen Sinn, weiter in Kanäle zu investieren, wenn es günstigere Lösungen gibt.

Hauseigene Kläranlage

Die Alternative sind so genannte Kleinkläranlagen, die es für Einfamilienhäuser ebenso gibt wie für Dörfer mit mehreren 100 Einwohnern. Dabei laufen in drei oder vier hintereinander angeordneten Kammern aus vorgefertigten Beton- oder Kunststoffteilen die gleichen biologischen Prozesse ab wie in einer richtig großen Kläranlage. Die Anlagen werden ganz einfach neben dem Haus im Garten versenkt.

Die eingebaute Technik ist weitgehend störungsfrei, lässt sich auch von Laien bedienen, sollte aber regelmäßig kontrolliert werden. Was bei großen Anlagen der Klärwärter erledigt, muss man hier persönlich übernehmen. Der Vorteil: Dezentrale Lösungen f fördern die Eigenverantwortung und machen sensibel im Umgang mit Wasser: Kaum anzunehmen, dass jemand, der sein Wasser selbst klärt, problematische Chemikalien in die Kloschüssel kippt.

Besonders naturnah reinigen Pflanzenkläranlagen das Abwasser. Im Prinzip handelt es sich dabei um künstlich angelegte Schilfsümpfe: Auf eine Abdeckfolie kommt ein wasserdurchlässiger Kies- und Sandboden, bepflanzt mit Schilf und andere Sumpfgewächsen. Das Abwasser fließt in den Sumpf, versickert, und wird von den Bodenorganismen und Wasserpflanzen gereinigt.
Solch eine Pflanzenkläranlage kommt vielleicht etwas teurer im Bau als andere dezentrale Anlagen, hat jedoch den Vorteil geringerer Betriebskosten. Sie stellt außerdem ein kleines Biotop dar, dass mit Libellen und Lurchen, den Eigentümer und dessen Familie erfreut. Voraussetzung für die Schilfwiese ist lediglich ausreichend Platz im Garten.

Für Professor Glücklich haben dezentrale Lösungen den Vorteil, dass sie insgesamt Wasser sparen und in einen hauseigenen Wasserkreislauf angeschlossen werden können: Das gereinigte Abwasser lässt sich als Brauchwasser für Toilettenspülungen einsetzen oder fürs Gießen im Garten. Das ganze System ist so vielversprechend, dass Glücklich an seinem Lehrstuhl in Weimar Konzepte für ganze Neubausiedlungen entwickelt, die komplett auf den Kanalanschluss verzichten können.

Planer mögen es teuer

Bleibt die Frage, warum sich meist dennoch die Kanal-Befürworter durchsetzen. Ein Grund sind für Werner Schardt die Planungsbüros, von denen sich viele Kommunen in solchen Fragen beraten lassen. "Die verdienen, anteilig an den Baukosten, bis zu zehn Prozent. Für die Büros ist eine teure, zentrale Lösung lukrativer." Das gilt auch für Kläranlagen, die deshalb oft viel zu groß gebaut werden. Besonders betroffen sind auch ostdeutsche Bundesländer, in denen nach der Vereinigung viele marode Klärwerke saniert werden mussten. Die Politiker nicken die überdimensionierten Projekte einfach ab.

Das hat die Abwassergebühren in kürzester Zeit auf West-Niveau steigen lassen. Um Geld in die Kasse zu bekommen, versuchen die Kläranlagenbetreiber, möglichst viele Haushalte an die teure Anlage anzuschließen.
"Die derzeitige Abwasserpolitik der Landesregierung plündert die Menschen aus", heißt es in einer Resolution von Bürgerinitiativen aus Mecklenburg-Vorpommern, die sich in der Bürgerallianz für faire Kommunalabgaben zusammengeschlossen haben. Sie fordern bei Kanalisationsprojekten mehr Mitspracherecht für die Betroffenen und die gleichwertige Behandlung von Kanalisation und dezentraler Abwasserbehandlung. Unterstützung bekommen die Initiativen vom Landesrechnungshof. Der hat in einem Bericht an den Landtag festgestellt, dass zahlreiche Kläranlagen in Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgelastet sind und empfiehlt in solchen Fällen anstatt Kanalnetze auszubauen doch zu prüfen, ob sich das Klärwerk verkleinern lässt. Alle Dörfer an zentrale Klärwerke anzuschließen, sei bei der Siedlungsstruktur von Mecklenburg-Vorpommern unter wirtschaftlichen Aspekten nicht sinnvoll.

Werner Schardt fühlt sich durch solche Empfehlungen bestätigt. Doch für die Bürger von Weismain kommen sie zu spät. "Es ist so ziemlich alles angeschlossen und der Rest wird in den kommenden Monaten verlegt", berichtet er. Gegen seinen Zwangsanschluss will sich Schardt wenn nötig auch vor Gericht wehren.Er will den Richtern deutlich machen, dass er gar kein Abwasser hat, um es in den Kanal einzuleiten. Das gereinigte Abwasser aus der Pflanzenkläranlage verwendet er im Garten.

Quelle: Zeitschrift "Schrot & Korn" Mai 2005 - www.schrotundkorn.de

Straßwalchen setzt auf Pflanzenkläranlagen

Im österreichischen Strasswalchen lief alles etwas anders. Im Jahr 2001 hat man sich dort für ein dezentrales Abwasserreinigungskonzept entschieden. Mittlerweile reinigen 50 Kleinkläranlagen mit der Kraft der Pflanzen das Abwasser von 1200 Einwohnern. Die Kostenersparnis ist mit 90 Prozent im Vergleich zur Kanallösung eklatant.

2001 hat ein Straßwalchener Bürger in Eigenitiative eine Kleinkläranlage errichtet. Dieses Beispiel sorgte in der Gemeinde für ein Umdenken in der Frage der Zukunft der Abwasserversorgung.
"Mit dieser Anlage war bewiesen, dass es funktioniert", blickt Bürgermeister Fritz Kreil zurück. Im Jahr 2001 folgte schließlich der Gemeinderatsbeschluss zur Verwirklichung dezentraler Pflanzenkläranlagen. Den Ausschlag dafür gab eine Variantenuntersuchung eines Thalgauer Ziviltechnikerbüros. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Gegenüber der ursprünglich geplanten zentralen Abwasserbeseitigung ergibt sich eine Kostenersparnis von 90 Prozent.
Kreil: "Die Kanalentsorgung hätte zehn Millionen Euro gekostet und sie wäre noch dazu nicht flächendeckend. Die Kleinkläranlagen nicht zu bauen, wäre beinahe strafbar gewesen."

Im Straßwalchener Gemeindegebiet finden sich nicht weniger als 30 Dörfer. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten von Seiten der Behörden, der Förderstellen und der betroffenen Straßwalchener Bürger habe das Pilotprojekt der dezentralen Abwasserbehandlung realisiert werden können. "Da waren natürlich auch Rückschläge zu überwinden", sagt Bürgermeister Kreil.

Mittlerweile verrichten 50 Kleinkläranlagen im Gemeindegebiet von Straßwalchen die ihnen zugedachte Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit. Sie reinigen das Abwasser von rund 1200 Einwohnern in Größen von 20 bis 400 Quadratmetern. So steht etwa für den Ortsteil Neuhofen eine mit Schilf und anderen Pflanzen bewachsene Klärfläche von 200 Quadratmeter für etwa 50 Einwohnergleichwerte zur Verfügung.

Diese einfachen wartungsarmen Anlagen reinigen das Wasser dort wo es verschmutzt wird. Der Bezug zu den eigenen privaten Anlagen fördert natürlich einen bedachten Umgang mit dem Thema Abwasser. Durch den kurzen ökologischen Kreislauf wird das Wasser nicht dem natürlichen Kreislauf entzogen und Bäche und Gräben trocknen weniger aus.

Der Flächenbedarf beträgt rund vier Quadratmeter je Einwohner, die Errichtungskosten liegen bei 500 Euro je Einwohner. Die Anlagen wurden von den betroffenen Menschen selbst finanziert, welche sich zu Genossenschaften zusammenschlossen. Daher kostete diese Variante der Abwasserreinigung der Gemeinde Strasswalchen fast gar nichts. Die anteiligen Errichtungskosten für die Pflanzenkläranlage betrugen pro Haus ungefähr soviel, wie die Kosten, welche bei einem Kanalanschluss zu bezahlen gewesen wären. Die laufenden Kosten liegen aber weit unter dem vom Kanal. Momentan liegen die Kosten zwischen 30 und 50 Cent pro Kubikmeter Wasser. Und vor allem unabhängig von anderen steigenden Kosten.

In der Gemeinde nimmt ein ausgebildeter Klärwart regelmäßig Proben, die untersucht werden.
Ergebnis: Pflanzenkläranlagen weisen eine ausgezeichnete Reinigungsleistung und eine hohe Betriebsstabilität auf. Sie sind einfach in der Wartung, verbrauchen kaum Energie und lassen sich gärtnerisch interessant gestalten.

Das gereinigte Wasser werde in Straßwalchen mittlerweile als wertvoller Rohstoff betrachtet und im landwirtschaftlichen Bereich wieder verwendet. Vor allem im trockenen Sommer 2003 sei der Erhalt kleinräumiger Wasserkreisläufe augenscheinlich geworden. Kleinere ausgetrocknete Bäche hätten unterhalb der Einleitungsstelle der Kleinkläranlagen wieder Wasser geführt. Bürgermeister Kreil: "Nach diesen Jahren bester Erfahrungen mit Pflanzenkläranlagen kann ich anderen Gemeinden nur empfehlen, ihr Abwasserentsorgungskonzept eingehend zu überdenken."

Das Projekt hat Vorbildwirkung. So pilgern immer wieder Gruppen aus Nah und fern nach Straßwalchen, um sich diese Lösung anzusehen. Doch leider stoßen solche Initiativen noch immer auf eine allzu große verhindernde Macht bei Planern und Behörden, welche noch immer zu behaupten versuchen, dass dies ja alles nicht funktioniert.

FL

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