Oktober 2006 www.initiative.cc

Glück der Menschen
mit direkter Demokratie und Volkssouveränität
- anstatt Europäischer Union

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß das Glück der Menschen mit der Möglichkeit zusammenhängt, über sich selbst zu bestimmen, indem Gleichberechtigte
ihr gemeinsames Leben aufeinander abstimmen. Der Grund der vergleichsweisen hohen Zufriedenheit der Schweizer hängt offenbar vor allem mit der Möglichkeit zusammen, im direkt-demokratischen und föderalistischen System anstehende Probleme zu einem öffentlichen Thema zu machen, mit anderen über alle Bereiche des Lebens zu diskutieren, und bei Abstimmungen Entscheidungen selbst zu treffen.

Das genossenschaftliche Prinzip.


Von DIETHELM RAFF (Präsident) und LILLY MERZ (Vizepräsidentin) vom VEREIN FÜR DIREKTE DEMOKRATIE UND SELBSTVERSORGUNG / CH-8738 UETLIBURG, Lindenstraße 24

Die Entwicklung der Schweiz bis vor etwa 15 Jahren könnte man so beschreiben, daß immer mehr Bereiche unseres Gemeinwesens nach dem ursprünglich genossenschaftlichen Prinzip gestaltet worden sind.
Darin unterscheiden wir uns von allen anderen Staaten und von sehr vielen anderen Zusammenschlüssen in der Welt, und kommen deshalb auch zu besonderen Antworten auf aktuelle Herausforderungen.
Dem genossenschaftlichen Gestaltungsprinzip liegt die Vorstellung zugrunde, daß wir als von Natur aus frei geborene Menschen keinem anderen Menschen oder einem Sachzwang untergeordnet sind.

Als freie und selbstverantwortliche Bürger schließen wir uns mit anderen aus freien Stücken zur besseren Gestaltung des Lebens und zur Bewahrung unserer Freiheit als Gleiche zusammen.

In einer solchen Zusammenarbeit verwirklichen wir die soziale Natur des Menschen. Der Einzelne wächst über sich hinaus und erlebt Genugtuung in der Verbundenheit mit anderen, wenn Probleme gemeinsam gelöst werden können. In der direkten Demokratie glauben wir, daß jeder Mensch am eigenständigsten wird, wenn er so oft wie möglich angeregt ist, andere in sein Denken, Fühlen und Handeln einzubeziehen, und für das allgemeine Wohl tätig zu sein.
Wir schreiben jedem Menschen als vernünftigem Wesen die Fähigkeit zu, auch schwierige Zusammenhänge zu erfassen, zu beurteilen und darüber abzustimmen. Wir gehen sogar davon aus, daß durch ein bedächtiges Abwägen durch jeden Bürger sinnvollere Ergebnisse im Zusammenleben entstehen, als wenn einige „Experten“ entscheiden.

Das genossenschaftliche Prinzip kann mit den Begriffen der „Selbstverantwortung“, der „Selbsthilfe“ und der „Selbstverwaltung“ umschrieben werden. In unserer direkten Demokratie belegen wir im täglichen Leben, daß in einem freien Zusammenschluß der Wunsch entsteht, sich mit den anstehenden Fragen der Gemeinschaft auseinanderzusetzen. Dazu muß man die Standpunkte von allen ehrlich hören
wollen und sich selbst ehrlich einbringen. So lernt man auch, einen eigenen Standpunkt zu bilden und sachlich darzulegen. Erst wenn man einander gleichwertig begegnet, wird im Gespräch deutlich, wer
eine Sache am besten erfaßt hat. Weder Bildung, noch Stellung, noch Geld machen vorhersehbar, wer das beste Argument einbringen wird.

Denkfähigkeit und Gesprächskultur.

Wir erleben in der Schweiz, daß sich in allen Zusammenschlüssen viele Mitbürger für das Gemeinwohl engagieren. Auch ist der Einzelne über das Gemeinwesen und die Vorgänge auf der Welt im Vergleich zu anderen Ländern besonders gut informiert. Das Denken und die Gespräche drehen sich häufiger um die Frage, wie ein Problem zum allgemeinen Wohl gelöst werden kann. Insbesondere bei Menschen unter uns, die gewohnt sind, in Korporationen und in kleinen Gemeinden das Leben mitzugestalten, ist diese Haltung ausgeprägt. Sie sind interessiert, die Meinung des anderen zu hören, und wollen nicht einfach ihren eigenen
Standpunkt anderen aufzwingen.Nicht umsonst kann man eigenständige Analysen und kooperative Lösungsvorschläge zu Problemen eher von normalen Bürgern hören, als an den oft stromlinienförmig angepaßten Universitäten und Fach-Hochschulen.

Bei Entscheidungen zählt unter freien, selbstverantwortlichen Bürgern das Sach-Argument, das andere überzeugt. Deshalb sind intensive Gespräche zwischen uns Bürgern und der direkte und unverfälschte Austausch an Vereins- und Gemeinde-Versammlungen, Landsgemeinden oder öffentlichen Bürger-Gesprächen entscheidend für die freie und allgemeine Willensbildung. – Deshalb wünschen wir uns, daß wir solche Gelegenheiten gerade in einer von Medien stark geprägten Gesellschaft ausbauen und beleben.

Miliz-Prinzip *)

Wenn die Meinung und Mitarbeit ehrlich gefragt sind, kommen wir Bürger sehr gerne, und beteiligen uns daran, ein Problem von allen Seiten zu beleuchten und Lösungen zu finden. So können viele Aufgaben von uns Bürgern selbst bewältigt werden. Auch junge Mitbürger beteiligen sich heutzutage gerne, wenn sie von Erfahrenen angefragt werden, und wenn sie sich dort bei Schwierigkeiten rückversichern können.

Nicht nur Jungbürger, sondern auch Neu-Eingebürgerte müssen über längere Zeit – am besten von gestandenen Bürgerinnen und Bürgern – genau darin instruiert und gefühlsmäßig mitgenommen werden, welche Haltungen und Einstellungen jedes Einzelnen dem guten Zusammenleben in der Schweiz zugrunde liegen. Dann werden auch sie gerne im Gemeinwesen mitarbeiten.

Vertreter anderer Meinungen emotional zu entwerten – als wirtschaftsfeindlich, ängstlich, rückwärtsgewandt oder isolationistisch – ist Teil einer Manipulation. Diese stört den freien Austausch und läßt Viele verstummen. Viele wollen sich ständigen, abwertenden Angriffen auf ihre freiwillige Tätigkeit nicht aussetzen. Deshalb müssen wir der freiwilligen Arbeit für das Gemeinwesen besondere Wertschätzung entgegenbringen.

Konsensbildung als Konfliktlösungs-Modell

Der dauernde Ansporn, im Denken, im Gespräch und im Handeln möglichst gute Lösungen für alle zu finden, ist ein Training in Konsens-Bildung. Dabei entwickelt jeder Fähigkeiten, die nötig sind, um Konflikte friedlich regeln zu können, wie Bedachtsamkeit, Einfühlungsvermögen und Klarheit im Denken. Wenn man Konsens herstellt, geht es nicht um einen faulen Kompromiß, wie häufig unterstellt wird, sondern es geht darum, daß wir Genossenschafter die Gesetze und Verordnungen als unsere eigenen ansehen können, zumindest die Gründe kennen, warum es diese gibt, und sie deshalb mittragen können.

Nur so können wir uns in unserer Gemeinde und unserem Land wohlfühlen, uns identifizieren und mitdenken, wie man in neuen Situationen zum Wohl aller tätig werden kann. Wenn wir ernstgenommen werden und uns beteiligen können, fühlen wir uns in einem solchen Gemeinwesen beheimatet. Daraus folgt auch ein ruhigeres Miteinander und politische Stabilität. Man kann also sagen, daß die direkte Demokratie zum Gespräch erzieht, zum Interesse an der Meinung des Anderen, es erzieht zu den Tugenden der Bescheidenheit, des Ausgleichs, und der Fähigkeit zum Mit-Denken und Mit-Empfinden.

Schule als Einführung der Jugend in die direkte Demokratie

In der direkten Demokratie ist die Schule nicht Teil eines autoritären Staates, der seine Untertanen zu treuen Staatsbürgern erziehen will, wie in anderen Ländern. Die Schule in unserer direkten Demokratie dient dazu, unsere Kinder neben der Familie zu eigenständigen, freien und verantwortlichen Bürgern zu erziehen, die mit anderen kooperieren. Unsere Volksschule wird deshalb von uns Bürgern in den Schulpflegen*) überprüft.
In unserer direkten Demokratie trauen wir dem Bürger das bestmögliche Urteil darüber zu, ob unsere Kinder dazu erzogen werden, das Gemeinwesen mitzutragen. Es ist ein Rückschritt in unserer Selbstorganisation, daß teure, sogenannte Qualifizierungskommissionen die „Schulpflegen“ erst ergänzen und dann ersetzen wollen.

Die Volksschule ist für die direkte Demokratie so wichtig, daß sie in vielen Kantonen in einer eigenen Schulgemeinde getragen wird. Wir legen so viel Wert auf die Pflege der jungen Menschen, daß sich einige Bürger unbelastet von anderen Gemeinde-Aufgaben dieser Frage widmen sollen. Es bedeutet eine Schwächung der Bürger-Gesellschaft, wenn die Schulgemeinde mit der politischen Gemeinde zusammengelegt wird.

In der direkten Demokratie traut man den Lehrern zu, sich ohne Chef und aus Verantwortungsgefühl für die Schüler und das Gemeinwesen zu organisieren. Diese gelebte direkte Demokratie gibt den Schülern ein Vorbild dafür, daß für eine gute Zusammenarbeit im direkt-demokratischen Gemeinwesen die Eigenverantwortung im Vordergrund steht, und keine weisungsbefugten Chefs nötig sind. – Auch wenn die Einsetzung von Schulleitern einige organisatorische Abläufe erleichtern mag, so schwächt diese Entwicklung die Selbstbestimmungskräfte und das Verantwortungsgefühl im Zusammenleben.

Die Gründe dafür liegen in einem Schein-Zwang, den sich der Bund selbst auferlegt hat : Er will das Schulwesen mit allen europäischen, eher autoritär strukturierten Staaten vereinheitlichen, und folgt den Anweisungen aus den GATS-Verhandlungen zur Privatisierung der Schulen. – So opfern wir große Errungenschaften gemeinschaftlicher Selbst-Organisation auf dem Altar der Globalisierungsideologie.

Dezentraler Aufbau des Gemeinwesens

Wir haben bei uns die Überzeugung umgesetzt, daß wir Menschen überall, wenn wir gefragt sind und mithelfen können, auch mehr Kraft und Zuversicht bekommen, unser eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen, und Lösungen für unsere eigenen Probleme zu finden. Diese Stärkung der Persönlichkeit findet in einem Umfeld statt, in dem die Probleme auf möglichst vielen Schultern getragen werden, also sehr viele Bürger Verantwortung für Gemeinschaftsaufgaben übernehmen. Das verhindert Macht-Ballungen, und ist eine ständige Bürgerbildung. Wir können deshalb an den Taten erkennen, wer in der Lage ist, Verantwortung für schwierigere Aufgaben zu übernehmen, und brauchen keine Propaganda-Reden.

Deshalb sollen die Einheiten möglichst klein und überschaubar, das Gemeinwesen also dezentral oder föderal aufgebaut sein. Korporationen und Genossenschaften, wie Straßen- oder Energieerzeugungskorporationen, Baugenossenschaften und selbst-organisierte Kindergärten und Kinderbetreuung, genauso wie korporative Lösungen fürs Wohnen im Alter, sind besser, als Lösungen der Gemeinde-Exekutive, und diese sind wiederum kantonalen Lösungen vorzuziehen.

Im Gegensatz dazu müssen in letzter Zeit auf Gemeinde-Ebene erfolgreiche und kostengünstige soziale Einrichtungen für psychisch Kranke, für Kinder und für alte Menschen schließen, weil sie neu erlassenen kantonalen Richtlinien sogenannter professioneller Anforderungen nicht genügen. – Als ob ein Studien-Abgänger prinzipiell besser arbeiten könnte, als ein erfahrener Mensch mit dem Herz am richtigen Fleck, der seine Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hat.

Die Bedeutung kleiner Gemeinden

Die ausgesprochen vielen kleinen Gemeinden in der Schweiz sind neben den Korporationen das Herzstück der direkten Demokratie. GEORG THÜRER schreibt im Buch „GEMEINSCHAFT IM STAATSLEBEN DER SCHWEIZ“, 1998 : „Die Gemeinde ist gleichsam das Schulzimmer der Demokratie, wo man sozusagen das kleine staatsbürgerliche Einmaleins lernt.“ (S. 204).

Denn bei der Entscheidung über den Steuerfuß, über den Bau von Brücken, Gemeindestraßen oder Kindergarten kann der Einzelne einigermaßen beurteilen, mitverantwortlich entscheiden und seine Entscheidung daraufhin überprüfen, ob sie klug waren. Je kleiner die Gemeinde, umso weniger kann sich die Verwaltung vom Bürger abheben, und werden die Bürger immer mehr Angelegenheiten einer Bürokratie übergeben.
Es verwundert deshalb nicht, daß die Gemeinden in den letzten 10 Jahren weniger Schulden für die nächste Generation angehäuft haben, als Kantone, und noch weniger als der Bund.

Vom Standpunkt der direkten Demokratie sind die kleinen Gemeinden die angemessenste Struktur, und stehen autoritärem Machtgehabe entgegen. Nach unserem Dafürhalten ist es manchmal schwer, Verantwortliche für verschiedene Aufgaben zu finden, weil die Bedeutung der direkten Demokratie in den letzten 15 Jahren zu wenig besprochen worden ist. Wir wenden uns deshalb entschieden dagegen, Gemeinden mit Geld, per Gesetz oder mit gezielter Manipulation zu Fusionen zu zwängeln. Die vom Bund erzwungene Auslagerung der Zivilstandsämter aus den kleinen Gemeinden ist ein tiefgreifender Einschnitt in die direkte Demokratie. Solche Vorgänge beunruhigen berechtigterweise viele Bürger und rufen nach einer zunächst geistigen Wiederbelebung der direkten Demokratie.

Direkte Demokratie versus Zentralregierung

Der Versuch, von oben her alles zu vereinheitlichen, oft zu zentralisieren, die politische Organisation den Wirtschaftsabläufen anzupassen, muß dazu führen, daß der Einzelne sich von seinem Gemeinwesen entfremdet, denn das Ringen um die beste Lösung im kleinsten Bereich kann auf die Länge nicht durch zielgruppen-spezifisch manipulierte Strukturveränderungen von oben mit Beteiligung der Betroffenen, gut orchestrierte Propaganda-Veranstaltungen oder verführerisch gestaltete Broschüren ersetzt werden. Wir geben zu bedenken, daß die von „Avenir Suisse“ (Zukunft Schweiz) und vom Bundesamt für Raumordnung geplante Fusion oder Reorganisation ähnlich der Firmen auch von Gemeinden, Kantonen und Bund, dem Mit-Denken und Mit-Wirken in einer direkten Demokratie entgegensteht.

In einer direkten Demokratie ist ein abstraktes Effizienz-Denken nicht hilfreich, denn es gibt noch andere Werte, die dem Wohle aller dienen. Zum Beispiel das Verantwortungsgefühl dafür, daß jede und jeder in dieser Genossenschaft von einer Arbeit leben kann. Es ist der direkten Demokratie abträglich, wenn der einzelne Bürger immer weniger mitarbeiten oder mitentscheiden kann, wenn immer mehr Aufgaben in den verschiedenen Exekutiven ausgeführt oder in private Firmen ausgegliedert werden, selbst wenn die Aktienmehrheit vorübergehend bei der Exekutive liegt. Es stimmt ebenfalls bedenklich, wenn Bund, Kantone und Gemeinden immer mehr zu Ausführungsorganen übergeordneter Gesetze oder Verpflichtungen werden.

Die Qualifizierung durch sogenannte Experten schränkt den Einfluß der Bürger ein. Die undeklarierte Planung der gesamten Schweiz in privaten und teuren „Experten-Gremien“, wie zum Beispiel bei der Regionalpolitik, entziehen dem Bürger die Möglichkeit, wenigstens die gewählten Vertreter zur Verantwortung zu ziehen. Weiterhin lassen sich immer mehr neu aufgebaute Gremien dazu verleiten, verbindliche Beschlüsse zu fassen oder Leitziele zu formulieren, ohne diese je mit den Bürgern zu diskutieren, beispielsweise die Bildungsdirektoren-Konferenz oder Gemeindepräsidenten-Konferenzen. In vielen Gesetzespaketen ist nichts mehr vom genossenschaftlichen Geist zu erkennen. Sie sind von einem anderen Staatsverständnis geprägt.

Zum Beispiel erlaubt das Gesetzespaket „Neuer Finanz-Ausgleich“ dem Bund, Kantone gegen den Volkswillen zur Zusammenarbeit mit anderen Kantonen zu zwingen. Die Abkehr vom direkt-demokratischen Prinzip schleicht sich auch mit dem „New Public Management“ (NPM) bzw. der „wirkungsorientierten Verwaltung“ (WOV) ein. Die Ersetzung des „Bürgers“ durch einen „Kunden“ ist vielleicht in autoritären Staaten ein Fortschritt, in der direkten Demokratie jedoch eine Entmündigung des Bürgers. Obwohl wir Bürger solidarisch Steuern für die Administration bezahlt haben, müssen wir nun für jede Dienstleistung unserer Angestellten zusätzlich
Gebühren zahlen. Man gibt damit auch den Anspruch auf, daß der Angestellte den Beschlüssen und dem Willen der Bürger zu dienen hat, und nicht dem Image des Betriebs. – Wir plädieren stattdessen für mehr Bescheidenheit und mehr Anstrengungen, die eigenen Pläne zu deklarieren und den Willen der Bevölkerung in häufigeren, offenen Versammlungen zu verschiedenen Sachfragen zu erkunden.

Genauso wie Kantone vom Bund immer mehr Aufgaben zugeschoben bekommen – man redet von „strategischen Entscheiden“ auf Bundesebene – so erhalten Gemeinden von den beiden anderen Ebenen immer mehr Vorschriften zur Ausführung überbunden. Auch so kann die Autonomie von Kantonen und Gemeinden aufgehoben werden, denn es heißt dann, die Gemeinden seien nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen,
und müßten sich zusammenschließen.

Die EU ist ausdrücklich gegen den Willen der Bevölkerungen nach demselben Schema erzwungen worden : „Aus neuen Funktionen folgt gezwungenermaßen eine neue Struktur.“ – Zudem sollte festgelegt werden, daß die Gemeinden bei jeder neuen Verordnung oder Gesetz vom Bund und Kanton ebenfalls Anspruch auf einen entsprechenden Teil der von Kantonen und Bund einzusparenden Finanzen erhalten. Das würde auch der
zunehmenden Degradierung der Gemeinden zu ausführenden Verwaltungseinheiten Einhalt gebieten.

Die dauernde Neutralität : Ein Gegenpol zum Macht-Prinzip

Die direkte Demokratie beinhaltet das Recht, über sich selbst zu bestimmen, und erzieht seine Bürger dazu, dieses Recht jedem zuzugestehen. Der Bürger entwickelt aus seinem täglichen Leben die Sicherheit, daß Konflikte nicht gewalttätig oder mit Drohungen gelöst werden können, sondern im Ausgleich, im gegenseitigen Verständnis. (Es macht deshalb Sinn, daß dem „Internationalen Komitee des Roten Kreuzes“ nur gut ausgewählte Schweizerinnen und Schweizer angehören, weil in allen anderen Staaten die Menschen viel eher vom erlebten Machtprinzip durchdrungen sind.)

Eine logische Folge aus dieser Einstellung ist, daß sich die Bürger in militärischen Konflikten Anderer neutral verhalten. So kann die Schweiz als dauernd neutraler Staat bei der Konfliktbewältigung besonders glaubwürdig helfen, weil wir uns grundsätzlich dem Prinzip des friedlichen Zusammenlebens auch im eigenen Land verschrieben haben. Weil wir wissen, daß andere, auch „demokratische“ Staaten dem Machtprinzip huldigen, muß sich ein friedliches Gemeinwesen Angriffen verschiedenster Art erwehren können. Das wichtigste ist die Fähigkeit, die eigene Ernährung sichern zu können. Denn mit mangelhafter Ernährung ist ein Land schnell in die Knie gezwungen.

Aufgabe in unserer Zeit : Die direkte Demokratie wiederbeleben

Wir verfolgen also mit großer Sorge, wie in verschiedenen Bereichen die Möglichkeit der Bürger abnimmt, das eigene Leben zu gestalten. Wollen wir uns Bürger wieder in unsere Rechte einsetzen, die direkte Demokratie erneuern, müssen wir viele Aufgaben erfüllen. – Einige seien hier genannt.

1. Vordringlich scheint es uns, daß gestandene Schweizerinnen und Schweizer das allgemeine, unzensurierte und offene Gespräch im ganzen Land über alle anstehenden Probleme anregen und beginnen, insbesondere über das Wesen der direkten Demokratie. Es sollte wieder eine Stimmung entstehen, daß jede und jeder mit den unterschiedlichsten Ansichten zu allen Problemen gefragt ist. Unter anderem braucht es kleine und größere Versammlungen im ganzen Land. Es ist zu überlegen, ob auch Gemeindeversammlungen öfter stattfinden, und dort auch Fragen besprochen werden, die über die Gemeindeangelegenheiten hinausgehen.

2. Viele Probleme sind leichter lösbar, wenn der Einzelne persönlich Verantwortung für das Ganze übernehmen kann. Wir müssen deshalb das Miliz-System *) pflegen, so daß anstehende Aufgaben im möglichst kleinen Rahmen eine sinnvolle Lösung finden. Jeder Berufsstand hat darüber hinaus die Verantwortung, im entsprechenden Bereich zum allgemeinen Wohl beizutragen. Diese Verantwortung kann nicht durch Verordnungen
und Gesetze ersetzt werden. Solche Vorschriften verringern sogar das eigene Mitdenken.

3. Es stehen Vorschläge im Raum, die allgemeine Versorgung entweder privatwirtschaftlich oder staatlich-zentralistisch zu lösen. Wir sollten stattdessen kooperative, gemeinde-nahe oder regionale Lösungen erhalten oder entwickeln. Dazu gehört das Wasser, eine ökologische Energie-Versorgung, die Gesundheitsversorgung mit Ärzten und Spitälern, die Kinderbetreuung, Alterspflege, Schulen und die Kommunikation. In allen diesen Bereichen werden wir nur mit genossenschaftlichen Ansätzen finanzierbare Lösungen für alle finden.

Diethelm Raff

4. Besonders wichtig ist es, die Ernährung für alle regional zu sichern. Der Bauernstand soll nach dem Willen der „Welthandelsorganisation“ (WTO) in wenigen Jahren auf ein Minimum reduziert werden. Damit könnte politischer Druck auf unser Gemeinwesen ausgeübt werden. Die Großkonzerne könnten mit den geplanten billigen Nahrungsmitteln aus Afrika und Südamerika eine Preispolitik wie mit dem Öl betreiben. Deshalb regen wir an, in nächster Zeit Kooperativen von Konsumenten mit den Bauern zu bilden, die Qualitätsstandards einhalten und regionale Märkte aufbauen können. Wir meinen, daß es dafür eine genaue Auseinandersetzung über Sinn und Zweck solcher Kooperativen braucht, denn sie müßten teilweise im Miliz-System *) funktionieren.

5. Wir schlagen vor, alle neuen Gesetze und Verordnungen daraufhin zu untersuchen, ob sie die direkte Demokratie im Sinne der Entscheidungsgewalt der Bürger verbessern oder einschränken. Dafür kann man die jetzige Prüfung weglassen, die jeden Gesetz-Entwurf daraufhin untersucht, ob er im Gegensatz zum EUKodex steht.

6. Wir glauben, daß eine friedliche Konfliktlösung der Schweiz entspricht, und wir uns deshalb weder der Machtpolitik der USA, noch der EU, noch der Nato anschließen sollen und müssen. Die Armee muß eine Armee des Volkes bleiben, die unser einmaliges genossenschaftliches Gemeinwesen schützt.

7. Wir sollten alle internationalen Abkommen daraufhin überprüfen, inwieweit sie unsere Selbstbestimmung einschränken. Dazu gehört auch, zu wissen, wie viele Experten in der Administration dafür arbeiten, solche Vorgaben in der Schweiz in Gesetze zu gießen und sie uns in Paketen überzustülpen. Ohne eine ausführliche Diskussion über diese Gesetze können sie gar nie unsere eigenen Gesetze sein.

DIETHELM RAFF (Präsident) und LILLY MERZ (Vizepräsidentin) vom Verein für direkte Demokratie und Selbstversorgung.

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*) MILIZ-PRINZIP
: Schweizerische Bezeichnung für die freiwillige, nebenberufliche und ehrenamtliche Übernahme von öffentlichen Aufgaben und Ämtern, die zumeist nicht oder nur teilweise entschädigt werden. Sehr viele öffentliche Funktionen und Aufgaben werden milizmäßig erbracht, z. B. die Oberaufsicht über die Schulen in den Gemeinden. – Bis hin zum Bundesparlamentarier gibt es keine Berufsparlamentarier.

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