Februar 2015 www.initiative.cc
Papier
Erzeugung / Verbrauch / Recycling / Lösungen
Viele von uns haben, auch wenn sie der Überflussgesellschaft angehören, eine gewisse Hemmung, Lebensmittel zu vergeuden oder wegzuwerfen. Beim Papiergebrauch hören die wenigsten von uns eine solche innere Stimme, die uns vor allzu sorglosem Umgang mit dieser Ressource warnen würde. Hier ein Artikel, der zum sorfvolleren Umgang mit Papier anregen soll.
Für
eine Tonne Frischfaserpapier wird etwa so viel Energie benötigt
wie zur Produktion einer Tonne Stahl.
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Von
Marlies Ortner
(Artikel gefunden in der sehr guten österreichischen Permakulturzeitschrift
"DIE
RÜBE")
In Österreich wird zwar argumentiert, Frischfaserpapier werde hierzulande ausschließlich aus "Abfallholz" (Holz aus Durchforstungen) gewonnen und kein Waldstück werde zum Zweck der Zellstofferzeugung gefällt. Doch ein Teil des alltäglich verwendeten (oder ungelesen sofort in die Tonne wandernden) Papiers ist nicht in österreichischen Wäldern herangewachsen. Aber wenn doch und auch wenn die Abfall-Behauptung zur Gänze der Wirklichkeit entspricht, sind ihr folgende weitere Fakten bzw. Überlegungen hinzuzufügen:
Dasselbe Abfallholz würde sich sehr gut als Brennstoff eignen, der Wohnhäuser und Betriebsgebäude erwärmen und eine große Menge an fossilen Brennstoffen einsparen könnte - mit etwa gleich großem technischen Wirkungsgrad, aber mit einer weit größeren Effektivität, vor allem unter Einbeziehung der "Biomeiler"-Technik.
Wenn der Eindruck erweckt wird, Papiererzeugung wäre sinnvolle Holzabfall-Verwertung, wird geflissentlich übersehen, dass zur Produktion der Papiergrundlage Zellstoff große Mengen an Wasser verschmutzt, große Mengen an Energie verwendet, große Mengen an problematischen Abfällen produziert und, je nach Herstellungsprozess, Luftschadstoffe und belastende Gerüche frei gesetzt werden. Papier ist ein bedeutsamer Umweltfaktor mit einem großen ökologischen Rucksack und trägt mit einem Anteil von etwa 30% bei den Konsumgütern zum ökologischen Fußabdruck der EuropäerInnen bei. Für eine Tonne Frischfaserpapier wird etwa so viel Energie benötigt wie zur Produktion einer Tonne Stahl.
Weltweit gesehen ist der Hunger nach Papier in den Industrieländern eine der Ursachen für den Raubbau an Urwäldern und alten, naturnahen Wäldern, deren Vielfalt und Funktionalität dadurch unwiederbringlich verloren gehen, selbst wenn sie - im besten Fall - mit wirtschaftlich verwertbaren Baumarten wieder "aufgeforstet" werden. Dadurch werden nicht nur die bisherigen Lebensräume für Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroogranismen zerstört, sondern auch die Lebensgrundlagen für die Menschen, für die diese Wälder Schutz, Wasser, Brennstoffe, Baustoffe, Heilpflanzen und nicht zuletzt Lebensmittel bereit gehalten haben. Vor allem das Versiegen von Quellen, die Zunahme des Bodenabtrags und schließlich das Ausbleiben des Regens machen den Zusammenhang zwischen großflächiger Waldvernichtung, Zusammenbruch der Eigenversorgung, Hunger, Verlust der Kultur und der Identität und vermehrter Abhängigkeit von der Weltwirtschaft offensichtlich: Ein neuer Markt tut sich auf, jubeln die StrategInnen, und der Staat, zu dem diese Region gehört, gerät immer tiefer in die globale Schuldenfalle.
Ein großer
Teil des Frischfaserpapiers (Büro- und Druckpapier) wird mit Chlorverbindungen
gebleicht, mit Metallsalzen "ausgerüstet" und schließlich
mit Farben bedruckt, die Schwermetalle und giftige Lösungsmittel enthalten
(können). Hochglanz"papier" für Zeitschriften ist mit
Chemikalien derart beladen, dass es als Sondermüll gelten sollte und
eine Wiederverwertung (Recycling) praktisch unmöglich ist. Solche Magazine
- und es werden jährlich mehr - zum Altpapier zu geben ist eine sinnlose
und kontraproduktive Handlung. (Hoffentlich fragt uns kein Kind jemals danach,
was wir hier tun.)
Papier, das nach dem "cradle2cradle-Verfahren" hergestellt und
bedruckt wurde, darf dagegen in dieser Hinsicht als ebenso unbedenklich
gelten wie das Holz, aus dem es hergestellt wurde, und kann ohne Nachteile
kompostiert werden.
Holzfreies Papier ist eine irreführende Bezeichnung und bedeutet
"holzstofffreies Frischfaserpapier". Seit mindestens 60 Jahren
ist jedes herkömmliche Qualitätspapier holzstofffrei, im Gegensatz
zu älteren Zeitungspapieren oder auch Bierdeckeln und Werbebeilagen.
Holzstoff ist Lignin, ein natürlicher polymerer Bestandteil des Holzes,
der Papier zum Vergilben bringt und brüchiger macht. Bei der Zelluloseproduktion
wird das Lignin meist mithilfe schwefelsaurer Chemikalien in Lösung
gebracht, damit es von der Zellulose getrennt werden kann. Vermischt mit
den Chemikalien muss der eigentlich wertvolle Stoff als gefährlicher
Abfall "entsorgt" werden.
Ligninschlamm
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Ligninschlamm
(meist Ligninsulfonsäure) ist eine stinkende Brühe und wurde früher
in die Flüsse eingeleitet, wo er das Wasser braun färbte, das
Wasserleben weitgehend vernichtete und die betroffenen Flüsse Hunderte
Kilometer lang in stinkende Kloaken verwandelte; manche werden sich noch
an den stinkenden, braunen Mur-Fluss in Graz erinnern (Cloaca maxima styriaca
genannt...). Heute wird der Ligninschlamm als Sondermüll verbrannt;
es handelt sich in Europa um Millionen Tonnen pro Jahr. Berühmt-berüchtigt
wurden der Ligninschlamm und andere Produktionsabfälle aus einer russischen
Zellulosefabrik, deren Abfälle den Baikalsee vergiftet haben. Im März
d.J. hat die Umweltorganisation "Bajkalskaja ekologitscheskaja wolna"
einen neuerlichen Umweltskandal in dieser Fabrik ans Licht gebracht: 1 Million
Tonnen Ligninschlamm seien ausgetreten.
Doch auch Österreich
hat mehr als ein Beispiel für aus Zellulosefabriken ausgetretene Abfälle
zu bieten, die das gesamte Leben in Flüssen abgetötet haben. Ich
selbst habe einmal voller Entsetzen gesehen, wie sich eine braune Brühe
unter einer hohen Schaumwand durch ein Flussbett in den österreichischen
Alpen gewälzt hat, wo ich gewohnt war, klares grünes Wasser zu
sehen.
Man versucht heute, Ligninschlamm wiederzuverwerten und daraus "Holzdiesel",
Glyzerin oder Ethanol zu gewinnen oder auch Lignin basierte Kunststoffe
zu erzeugen. Aber noch ist es keinesfalls soweit und täglich fällt
wieder Ligninschlamm zur Entsorgung an, übrigens viel viel mehr als
Deinking-Schlamm bei der Wiederaufbereitung von Altpapier.
Für weißes Papier müssen die im Zellstoff verbliebenen
Ligninfaser-Reste gebleicht werden. Das Bleichen mit elementarem Chlor ist
in der EU seit Jahren verboten, denn dabei bilden sich Organochlorverbindungen,
die als hochgiftig, schwer abbaubar und krebserregend bekannt sind. Aber
die so genannte chlorfreie Bleiche ist, begrifflich gesehen, eine Mogelpackung:
Sie ist nur frei von elementarem Chlor und arbeitet stattdessen mit Clordioxid
(ECF-Bleiche)! Nur die TCF-Bleiche ("total chlorfrei") verwendet
anstelle von Chlorverbindungen Sauerstoff, Wasserstoffperoxid oder Ozon.
(Weltweit: Elementarchlor 5%, ECF 90%, TCF erst 5%) Mit Chlor gebleichter
Zellstoff stammt oft aus Russland, den USA (!) und Südamerika und es
ist im Einzelfall für den Käufer nicht immer nachvollziehbar,
welches Bleichverfahren
verwendet worden ist.
Papierverbrauch
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Laut
FORUM ÖKOLOGIE UND PAPIER (D) gehören Österreich (264
kg), Deutschland (248 kg), USA (240 kg), die Schweiz und Liechtenstein (204
kg) zu den weltweit größten Papierverbrauchern: 200-260 kg pro
Kopf und Jahr. Nur in Belgien wird mit 330 kg mehr verbraucht als in Österreich
- das wird doch nichts mit der EU-Hauptstadt Brüssel zu tun haben?
(Zahlen aus 2010, inzwischen wird's wohl mehr sein.)
Eine intelligente Halbierung wäre möglich, wie in der Broschüre
"Papier. Wald und Klima schützen" beschrieben wird. Das wären
pro Kopf immer noch 125 kg pro Jahr - so viel wie 1970, und damals litt
ja auch niemand an Papiermangel.
90% der Papiere haben eine sehr kurze Lebensdauer bzw. werden gar
nicht benutzt: Werbebeilagen, Prospekte aller Art, ein Drittel aller gedruckten
Zeitungen und Zeitschriften, die unverkauft und ungelesen zurückgesendet
und vernichtet werden.
Verpackungspapiere mit 40% der Gesamtproduktion - Tendenz steigend wegen
Internethandels, Hygienepapiere mit 10% - Tendenz steigend (warum eigentlich?);
über 50% sind Druck-, Zeitungs- und Büropapiere, und trotz "elektronischem
Büro" wird auf dem Arbeitsplatz nicht weniger, sondern immer mehr
Papier verbraucht.
Papier ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: In der EU ist Holz nach
Rohöl von der Menge her das zweitwichtigste Importgut. Papier und Zellstoff
machen fast zwei Drittel der nach Deutschland importierten Holzprodukte
aus, während Österreich über eine starke heimische Zellstoffindustrie
verfügt und nur 10% des Zellstoffs importiert.
Jeder fünfte Baum, der auf der Welt gefällt wird, schreibt
das FORUM ÖKOLOGIE UND PAPIER FÖP, wird verhäckselt und landet
in der Papierherstellung. Betrachtet man nur das industriell genutzte Holz
(und nicht das Brennholz), so wird fast jeder zweite Baum zu
Papier. "Schätzungsweise 20% davon stammen aus Urwäldern.
Zwar ist der Urwald-Holzanteil in Europa niedriger als z. B. in Asien, wo
viel Holz aus Indonesien oder Russland verwendet wird. Doch die Verknappung
von Holz in der einen Region - etwa durch die
großen Mengen, die wir aus Skandinavien beziehen - bedeutet, dass
sich der Druck auf andere Wälder wie beispielsweise in Südostasien
oder Lateinamerika verlagert."
Unzählige Schiffe, beladen mit Chips (nicht Kartoffel-, sondern Holz-),
zu denen Urwaldbäume zerschnitzelt wurden, queren die Meere, um die
Zellstoffindustrie der reichen Länder zu füttern.
Der in den deutschsprachigen
Raum importierte Zellstoff stammt laut FÖP zu einem Drittel aus
den Wäldern der Nordhalbkugel, zumeist aus Schweden und Finnland, wo
flächendeckend eine recht naturferne Forstwirtschaft betrieben wird,
die auch die letzten naturnahen Waldgebiete über Kurz oder Lang nicht
verschonen wird, aber auch aus den borealen Urwäldern Russlands. 5%
kommen aus Kanada, wo durch Kahlschlag uralte Wälder mit riesigen Bäumen
vernichtet und zu Papier gemacht werden (großteils für Japan)
und die indigene Bevölkerung wohl vergebens darum kämpft, dass
ihre ursprünglichen Lebensräume erhalten bleiben. Weitere 5% kommen
aus Portugal und Spanien, wo traditionelle Landnutzungen wie Korkeichenwälder
und Olivenhaine dem Anbau von Papierholzplantagen, meist Eukalyptus-Monokulturen,
weichen mussten.
Ein Viertel kommt aus Uruguay und Chile, also aus Ländern, deren verbliebene
Urwälder und Naturwaldreste verschont werden müssten, sowie aus
Brasilien, wo Zellstoffkonzerne Holzplantagen auf landwirtschaftlichen Flächen
anlegen, die die Bevölkerung für ihre Lebensmittelversorgung benötigen
würde, und die BewohnerInnen damit in andere Gebiete verdrängt,
wo sie Wälder roden müssen, um Land für ihr Überleben
zu gewinnen. Die riesigen Eukalyptusplantagen werden vielfach "grüne
Wüsten" genannt und breiten sich immer rascher aus. Mit ihrem
hohen Wasserverbrauch, Pestizid- und Düngemitteleinsatz belasten sie
den Boden und die Gesundheit der Bevölkerung.
Zerstörung
der Wälder
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Da
über ein Drittel aller deutschsprachigen Bücher heute in China
gedruckt werden, erreicht uns auch eine große Menge Papier aus Indonesien
.
"Nach Brasilien und Kongo besitzt Indonesien das drittgrößte
Vorkommen an tropischem Regenwald. Die Waldzerstörungsrate ist dort
am höchsten. Illegaler Holzeinschlag gehört zum Tagesgeschäft,
instabile politische Verhältnisse fördern die Korruption. Sumatra
ist inzwischen fast ganz entwaldet. Kalimantan, der indonesische Teil Borneos,
hat seine Urwälder bis auf 10% verloren." (Forum Ökologie
und Papier) Die Orang-Utans haben kaum noch Überlebenschancen. Auch
Elefanten, Tiger und Nashörner sind durch die Abholzung
massiv gefährdet und der Papierkonsum hat daran einen wesentlichen
Anteil.
Jährlich werden rund 13 Mio ha Wald zerstört - etwa drei Mal die
Fläche der Schweiz. 4 Mio ha davon sind Urwälder. Insgesamt existieren
weltweit noch 4 Milliarden ha Wald, zur Hälfte handelt es sich um bewirtschaftete
Wälder, zu über einem Drittel um Urwälder. (FAO
Global Forest Ressources Assessment 2010)
Für Recyclingpapier
wird kein Baum gefällt und keine Zellulosefabrik muss betrieben
werden. Bis zu sechs Mal können die Papierfasern wiederverwendet werden.
Der Vorgang in Kürze: Altpapier wird in Wasser aufgelöst und die
Druckfarben werden von den Fasern herunter "gewaschen" - mithilfe
von seifigen Chemikalien wie Natronlauge, Wasserstoffperoxid, Wasserglas
und Fettsäuren. Die Farbteilchen werden zusammen mit dem Seifenschaum
abgeschöpft. Diesen Vorgang nennt man Deinking. Auch wenn für
das Deinking weit weniger und harmlosere Chemikalien verwendet werden als
für die Zellstoffherstellung, ist der Deinking-Schlamm Sondermüll,
was auch mit den verwendeten Druckfarben und der Beschichtung der Ausgangspapiere
zu tun hat. Nach dem Deinking werden kurze Fasern ausgeschieden und der
Faserbrei wird mit Wasserstoffperoxid oder Sauerstoff gebleicht.
Weitere Verarbeitungsschritte bis zum beschreib- und bedruckbaren Recycling-
oder Neupapier sind das Auftragen von Stärke (erhöht die Festigkeit),
von Leim (verhindert das zu tiefe Eindringen von Tinte und Farben), Kalk/Kreide
und Kaolin/Porzellanerde (geben Weiße, Dichte und Glätte). Dampfbehandlung
ergibt besonders glattes und glänzendes Papier (Satinieren).
Abhilfe
und Lösungen
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Unter dem Strich ist festzuhalten, dass Papiersparen die erste und wichtigste Maßnahme ist, um den eigenen ökologischen Fußabdruck auf diesem Gebiet zu verkleinern:
An zweiter Stelle
steht das Verwenden von Recyclingpapier , das insbesondere den Urwald
und auch jeden anderen Wald verschont und Energieverbrauch, Wasserverschmutzung
und Schadstoffe gegenüber Frischfaserpapier drittelt.
Denn Frischfaserpapier kann keinesfalls als CO2-neutral angesehen werden,
wie manchmal behauptet wird: Denn auch wenn der Rohstoff Holz als CO2-neutral
bewertet wird und die benötigte Prozessenergie (teilweise) aus der
Verbrennung der herausgelösten Holzbestandteile Lignin und Hemizellulose
stammen, kann man doch die CO2-Speicherfähigkeit frisch aufgeforsteter
(Sekundär-)Wälder nicht mit denen von alten oder gar Primärwäldern
gleichsetzen und den Energiebedarf der Waldbewirtschaftung und der Holzernte
bzw. die Bodenzerstörung durch Plantagenwirtschaft unberücksichtigt
lassen!
In einer ganzheitlichen Ökobilanz wird auch der Verlust an Biodiversität/Artenvielfalt und deren soziale Auswirkungen sowie die Auswirkungen auf die Resilienz/Widerstandsfähigkeit des Ersatz-Ökosystems gegenüber der Klimaänderung zu berücksichtigen sein. Nun verabschiedet sich das Frischfaserpapier endgültig von der positiven Seite der Bilanz.
Neu oder alt? Papierarten
in der Statistik:
Zeitungsdruckpapiere, die in Österreich oder Deutschland hergestellt
wurden, bestehen fast zur Gänze aus Altpapier, solche aus Skandinavien
dagegen aus (billigerem) Neupapier. Druckpapiere für Zeitschriften,
Broschüren und Werbung sind zu 30% aus Altpapier hergestellt.
Büropapiere einschließlich Kopierpapier bestehen nur mehr zu
13% aus Recyclingpapier, Tendenz fallend! (Nachfrage würde das Angebot
steigern.) Schulhefte: Tendenz stark fallend!
Hygienepapiere mit ihrer besonders kurzen Lebenszeit sollten vor allem aus
Recyclingpapier bestehen. Bei stark steigendem Verbrauch ging der Altpapieranteil
in den letzten Jahren von 75 auf 50% zurück. Hier gibt es in den meisten
Haushalten großes Einsparpotenzial.
Verpackungspapiere und Kartonagen bestehen zumeist aus ungebleichtem Altpapier.
Zertifikate
/ Siegel
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Wie
kann ich mich in dieser Vielfalt an teilweise widersprüchlichen Informationen
zurechtfinden, wenn ich ein Papierprodukt nicht einsparen kann und mich
für oder gegen bestimmte Papierprodukte entscheiden muss?
Eine Hilfe sind Zertifikate/Siegel, die Hinweise auf die "innere Qualität"
des Produkts geben. Hier die wichtigsten im Telegrammstil:
Der Blaue Engel: strengste Kriterien bezüglich Chemikalieneinsatz,
100% Altpapier (mit mindestens 65% unteren und mittleren Sorten), gute technische
Qualität, lange Lebensdauer von mehreren hundert Jahren. Das Papier
entspricht höchsten Erwartungen bei Ökologie, Gesundheitsschutz
und Gebrauchstauglichkeit.
Österreichisches Umweltzeichen: Grenzwerte beim Energieverbrauch,
bei der Abwasserbelastung und beim Chemikalieneinsatz, keine chlorhaltigen
Bleichmittel. Bei Büropapieren 100% Altpapier, allerdings mit großzügigen
Ausnahmen. Bei Zeitungsdruckpapieren 50% Altpapier-, bei Druckpapieren sogar
nur 10-20% Altpapier-Anteil erforderlich. Die Neufasern müssen nur
zu Hälfte aus zertifizierter Forstwirtschaft stammen, Holz aus Urwäldern
ist daher nicht ausgeschlossen (wenn auch nicht wahrscheinlich). Sehr österreichisch!
EU Ecolabel (EU-Blume genannt) und Nordic Ecolabel (Nordischer Schwan)
:
etwas weniger Energiegebrauch und Abwasserbelastung als im Durchschnitt;
nur elementares Chlor ist zum Bleichen verboten, Chlorverbindungen nicht;
der Nordische Schwan verlangt keinen Altpapiereinsatz, das EU-Ecolabel nur
bei Zeitungspapier (und zwar 70% - wobei die Realität bei 90% liegt...);
nur die Hälfte des verwendeten Holzes muss zertifiziert sein - es ist
zu befürchten, dass ein Teil des Holzes aus Urwäldern stammt.
Nicht besser als nix!
FSC-Siegel: ein
Label für Holz- und Holzprodukte aus regionaler, ökologisch und
sozial verträglicher Waldwirtschaft, wie sie in Deutschland und Österreich
ohnehin durch die Forstgesetze gewährleistet ist und dadurch in diesen
Ländern keinen Mehrwert bedingt, wohl aber in Großbritannien,
Skandinavien und anderen europäischen bzw. außereuropäischen
Ländern die gröbsten umweltschädlichen Praktiken bei der
Waldwirtschaft hintanhalten könnte. Das FSC-Siegel wird in jedem Staat
nach den dortigen Gegebenheiten erarbeitet, kann also sehr Unterschiedliches
bedeuten. In der Eigendefinition wird betont, dass der FSC kein Waldschutz-,
sondern ein Waldbewirtschaftungssiegel vergibt. Umweltverbände kritisieren,
dass der FSC auch großflächige Monokulturen und Einschläge
in Naturwälder zertifizieren würde.
FSC Mix-Papiere: mindestens 70% der Fasern stammen aus FSC-Holz und/oder
Altpapier, der Rest muss nicht aus zertifizierten Wäldern kommen. Meist
reine Neufaserpapiere aus "normaler" Zelluloseproduktion (siehe
oben) mit entsprechendem Chemikalieneinsatz, CO2-Ausstoß, Wasser-
und Energiegebrauch. Unbrauchbar!
FSC Recycling-Siegel: niedrigere Anforderungen als beim Blauen Engel,
vor allem beim Chemikalieneinsatz.
PEFC-Logo: Von WaldbesitzerInnen und der Forstindustrie erarbeitetes
Zertifikat, das sich auf dem Niveau der nationalen Forstpraxis bewegt. Umweltverbände
kritisieren, dass das Abholzen und Umwandeln von Urwäldern in Plantagen
nicht sanktioniert wird, die Rechte
der indigenen Bevölkerung nicht geschützt werden und das Kontrollsystem
die Einhaltung der Kriterien nicht sicherstellen kann. Zertifiziert würden
ganze Regionen, oft aufgrund ausschließlich schriftlicher Eingaben
ohne Kontrolle der Waldstücke.
Papiere mit dem PEFC-Logo sind in der Regel ohne Altpapier hergestellt und
es fehlen Vorgaben bzgl. Chemikalieneinsatz, Energie- und Wassergebrauch,
auch beim PEFC Recycling-Siegel. Irreführend!
Weiterführende
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Quelle des Artikels: Marlies Ortner / Permakulturzeitschrift "DIE RÜBE" / A-8510 Stainz
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