April 2014 www.initiative.cc
Verbrennen Sie Ihre Power Point Folien
So
empfiehlt es der Neurobiologe John Medina. Wie bitte? Sind die Hirnforscher
denn nun vollkommen durchgeknallt, werden Sie nun vielleicht fragen. Keineswegs.
Nur konsequent. Denn die Ergebnisse der Hirnforschung erfordern ein radikales
Umdenken im Alltag.
von
Dr. Constantin Sander
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Bisher dachten wir, die
digitale Welt mache uns das Leben einfacher. Macht sie auch. Aber sie ignoriert
auch, dass menschliche Wahrnehmung anders funktioniert, als Microsoft und
Apple das gerne hätten. Wir sind halt keine Computer. Und wir lernen
anders. Schon Manfred Spitzer berichtete in seinem lesenswerten Buch "Lernen",
dass Lernsoftware für kleine Kinder eher in die Mülltonne gehört
als ins Kinderzimmer. Nun setzt John Medina noch einen drauf und nimmt den
erwachsenen Professionals eines ihrer Lieblingsspielzeuge. "I think
they suck", sagt er über PowerPoint-Präsentationen. Das ist
aber nicht die Attacke eines altbackenen Forschers aus dem Elfenbeinturm,
sondern das Ergebnis moderner Wissenschaft, die mit bildgebenden Verfahren
inzwischen dem Gehirn bei der Arbeit zugucken kann.
Neurobiologen
haben nämlich herausgefunden, dass unser Gehirn keine Datenverarbeitungsmaschine
ist, wie wir das in Analogie zum Computer so gerne sehen. Unser Gehirn ist
eher eine Erfahrungsverarbeitungsmaschine. Ständig und innerhalb weniger
Sekundenbruchteile vergleicht es Wahrgenommenes mit bekannten Mustern. Das
ist in ganzheitliches Erleben. Wir nehmen mit all unseren Sinnen wahr. Und
da wir sinnliche Wahrnehmungen, also Bilder, Klänge, haptische Eindrücke,
Geschmack, Gerüche, aber auch episodisches Erleben direkt an Bekanntes
in unserem Gehirn ankoppeln können, werden diese Wahrnehmungen wesentlich
leichter verarbeitet als abstrakte Information.
Aber sind gut aufbereitete Information am Bildschirm oder auf der Leinwand
nicht auch sinnlich wahrnehmbar? Ja, Stimmt schon. Aber zum einen unterscheidet
unser Gehirn sehr wohl zwischen physisch wahrnehmbarer Umwelt und dem virtuellem
Abbild und zum anderen sind die meisten Bildschirmpräsentationen mit
abstrakter Information überladen. Da findet sich zu wenig, das wir
direkt ankoppeln können. Räumlichkeit findet dort zum Beispiel
selten statt. Ganz im Gegensatz zu Filmsequenzen, die dazu noch das episodische
Element enthalten.
Neuronales Lernen ist weniger ein Prozess der Informationsspeicherung, sondern ein Vorgang der Verarbeitung von Erfahrungen. Und Erfahrungen sind ein interaktiver Prozess. Wir lernen vor allem durch Austausch mit unserer Umwelt. Darum können wir Autofahren oder irgendeine andere praktische Fähigkeit auch nicht im theoretischen Unterricht lernen, sondern nur durch das tatsächliche Tun. Kennen und Können sind zweierlei. Und genau deshalb müssen wir uns schon etwas einfallen lassen, wenn wir anderen etwas vermitteln wollen.
Wer andere erreichen will, muss daher neuronal leichter verdauliches anbieten als PowerPoint-Folien. Aus diesem Grund arbeite ich in meinen Workshops zum Beispiel auch lieber mit Flipcharts und Moderationskarten als mit dem Beamer. Papier ist nicht nur geduldiger sondern auch ganzheitlich wahrnehmbar. Es lässt sich von verschiedenen Seiten betrachten, befühlen und beim Blättern sogar hören. Vielleicht liegt hierin auch das Geheimnis des Erfolgs der modernen Touchscreens, vom iPad bis zum Smartphone. Wir wollen Dinge halt gern "begreifen". Dieses schöne deutsche Wort beschreibt genau das, was unser Gehirn beim effektiven Lernen tun. Es bildet aus Wahrnehmungserfahrungen neue neuronale Muster.
Wie können Sie diese Erkenntnisse für Vorträge und Seminare praktisch nutzen:
Zum Abschluss noch ein Tipp für alle, die nun dennoch nicht von
PowerPoint lassen wollen: Reduzieren Sie, wo Sie können. Machen
Sie Darstellungen so minimalistisch wie möglich und sparen Sie
sich verspielte Animationen und andere Gimmicks. Reduzieren Sie Text
radikal. Stichworte gehen vor Sätzen. Professionalität zeichnet
sich durch Einfachheit aus. Und wenn Sie animieren, dann sollten die
Animationen eine sinnvolle Visualisierung des Gesagten darstellen. Wer
es immer noch nicht glaubt, wird sich vielleicht durch folgende Erfahrung
eines Hochschullehrers überzeugen lassen. Er testete in seinen
Lehrveranstaltungen den Lerneffekt von animierten und nicht-animierten
PowerPoint-Präsentationen sowie die althergebrachte Tafel und das
Flipchart. Der beste Lernerfolg zeigte sich bei Verwendung der klassischen
Medien. Am schlechtesten schnitten animierte PowerPoint-Präsentationen
ab.
(Quelle: www.businessvillage.de)
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